Ein virtueller Workshop zum Thema „E-Justiz“ beleuchtete am 18. März den Stand der digitalen Justiz im deutschsprachigen Raum. Renommierte Experten aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland berichteten über Hürden und Erfolge auf dem Weg in die E-Justiz. Professor Georg Borges moderierte die spannende Veranstaltung, die als IRI§-Frühlingstrimester in Kooperation mit dem Deutschen EDV-Gerichtstag und der Plattform Research Meets Practice (ReMeP) stattfand.

Welche Chancen sich bei der Umstellung von analog auf digital ergeben können, zeigten die Beiträge aus Österreich. Dort verfolgt man das Ziel, alle möglichen Ablaufe in der Justiz bis 2025 zu digitalisieren. Mit Unterstützung durch die Politik konnten viele Projekte bereits erfolgreich umgesetzt werden, wie Dr. Gerhard Jelinek, Präsident am Oberlandesgericht Wien, in seinem chronologischen Abriss schilderte.


In der Präsentation „Was können eGerichte (nicht)?“ ging Mag. Michael Kunz, Präsidialrichter am Oberlandesgericht Wien, ins Detail. Er gewährte den Workshop-Teilnehmern Einblick in den digitalen Justiz-Arbeitsplatz und stellte das Herzstück der digitalen Akte vor, das elektronische Integrationsportal „eIP“. Das Portal, das im Rahmen des Projekts „Justiz 3.0“ entwickelt wurde, vereint unterschiedliche Anwendungen. Ob Terminübersicht, Aufgabenplanung, Recherche nach Themen oder Dokumenten – mit mannigfaltigen Filtermöglichkeiten eröffnet es viele Möglichkeiten. Die digitalen Strukturierungs-, Recherche- und Bearbeitungstools gehen mit Zeitersparnis und jeder Menge Effizienz einher. Dennoch betonte Kunz, dass die Umstellung schon gewaltig sei. Im Projekt zählte man 170 einzelne Anwendungen, die integriert wurden.


Auch Deutschland ist bestrebt, sich für die Digitalisierung der E-Justiz zu rüsten – theoretisch. Doch Praxis und Theorie klaffen laut Dr. Ralf Köbler, Präsident am Landgericht Darmstadt, weit auseinander. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern aller Oberlandesgerichte sammelt seit geraumer Zeit kluge Ideen, den Rechtsverkehr zu modernisieren. Doch der deutsche Beamtenstaat hängt bisweilen sehr an der „Papierwirtschaft des 19. Jahrhunderts“, und Köbler zweifelte in seiner pointierten Präsentation sehr an der „Modernisierungsfreude der deutschen Politik“. Dabei wäre es für alle Beteiligten eine Erleichterung, wenn man von überall aus Zugriff auf eine elektronische Akte hätte oder wenn mehrere Personen gleichzeitig an einer Akte arbeiten könnten – um nur wenige Vorteile zu nennen. Köbler und seine Arbeitsgruppe machen sich stark für die Abschaffung des Faxes und schlagen einen elektronischen Nachrichtenraum vor sowie die Stärkung der Transparenz von Verhandlungen.

In der Schweiz stößt man ebenfalls auf Hürden. Mit der Idee einer sicheren digitalen Justiz steht man noch am Anfang. Erst kürzlich gab man einen sechsstelligen Frankenbetrag für ein neues Archiv aus, um „Papierberge“ unterzubringen. Lukas Huber, Generalsekretär-Stellvertreter am Obergericht des Kantons Zürich, weiß um das Kernproblem: Einigung. Die 26 Schweizer Kantone können selbst wählen, welche Software zum Einsatz kommt. Ob Obergericht, Verwaltungsgericht oder Polizei – jede Instanz nutzt andere. Über 60 verschiedene Akteure sind involviert und sollen an einem Strang ziehen. In diesem komplizierten System öffnen sich viele Schnittstellen und erfordert daher vor allem einen großen politischen Willen.


Wie die Digitalisierung in der Praxis aussieht, berichtete Mag. Kerstin Just, Richterin am Handelsgericht Wien. In einem Pilotprojekt stellte man die neue Technik der alten gegenüber. Es gab Umstellungsprobleme: So empfanden Teilnehmende an Gerichtsverhandlungen die technische Ausstattung etwa als störend oder ablenkend oder den Wechsel von Papier auf Bildschirm schwierig. Aber man reagierte und optimierte und war sich einig, dass das große Potenzial, das die Digitalisierung mit sich bringt, überwog.

In der anschließenden von Professor Georg Borges geleiteten Diskussion tauschten überwiegend die Referenten Aspekte aus, die aus unterschiedlichen Perspektiven die Pros und wenigen Contras rund um die Digitalisierung der E-Justiz beleuchteten. Es ging um Themen wie zum Beispiel  Videoaufnahmen bei Beweisaufnahmen oder das Einbeziehen Künstlicher Intelligenz (KI), beispielsweise um Zusammenhänge zu entdecken oder Themen zu sortieren, um mühsame manuelle Prozesse zu beschleunigen. Das Podium war sich einig, dass sich nicht alle Bereiche der Justiz in einen digitalen Akt umwanden lassen. Wichtig ist es, alle Lösungen differenziert zu betrachten.


Die Veranstaltung organisierte Dr. Stefan Eder, Partner von Benn-Ibler Rechtsanwälte, CYBLY GmbH im Rahmen eines Frühlingstrimesters des Internationalen Rechtsinformatik Symposion IRIS unter der Leitung von Professor Erich Schweighofer.

 

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